Sammlerin des Magischen

Sammlerin des Magischen

dieZeitschrift
Ausgabe: 06.01.2015

„Die Kopie des Abendmahls in Wien ist viel besser erhalten als das ursprüngliche Werk in Mailand“, sagt Gabriele Lukacs und stößt die Eingangstür der Minoritenkirche auf. Hier ist der Ausgangspunkt ihrer Tour Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien.

Die Fremdenführerin und Autorin zeigt auf das Gemälde, das groß und prominent links vom Altar hängt. „Das Original ist sehr stark beschädigt. Hier in Wien kann man Leonardos Code dagegen viel besser erkennen als in Italien.“ Jetzt flüstert sie. Aus Respekt vor den anderen Kirchenbesuchern, und nicht weil sie fürchtet, belauscht zu werden.

Denn all die Rätsel und Geheimnisse, die Lukacs bisher zusammengetragen hat, sind mittlerweile ohnehin in einem ihrer zehn Bücher veröffentlicht. Einen Teil ihrer Erkenntnisse über die mystischen Seiten der Hauptstadt trägt sie bei ihren geführten Touren vor.

Leonardo verrät sein Geheimnis in Wien

„Der Jünger, der angeblich Johannes sein soll, überschlägt die Füße, hat kleinere Hände und keinen Adamsapfel. Er sieht viel weiblicher aus als die anderen“, erklärt sie. Falls jemand den Inhalt von Dan Browns Bestseller „The Da Vinci Code“ (deutscher Titel: Sakrileg, Anmerk.) nicht kennt, dem sei Leonardos Geheimnis kurz erklärt. Der berühmte Maler hat Maria Magdalena angeblich als Jüngerin gemalt. Eine Frau als Apostel Jesu, das würde die Grundfesten der Kirche erschüttern. Ob es sich bei dieser Geschichte um historische Tatsachen oder nur um die lebhafte Phantasie eines berühmten Romanschreibers handelt, ist schwer zu sagen. „Meine bisher größte Entdeckung hat sich aber in der Schatzkammer abgespielt“, erzählt Lukacs.

Auf dem kurzen Weg von der Minoritenkirche in die Kaiserliche Schatzkammer liegt der Ballhausplatz. „Das Bundeskanzleramt ist ein Pentagramm, genauso wie das Pentagon in Washington. Es hat keinen rechten Winkel.“ Ein Blick auf Google Earth bestätigt, dass sie Recht hat. „Mir fallen dauernd solche Sachen auf. Für diesen Beruf muss man eine gewisse Neugierde mitbringen.“

Wundersame Inschrift zeigte sich vor Fernseh-Team

In der Schatzkammer passierte am 29. Oktober 2009 vor laufenden Fernsehkameras so etwas wie ein Wunder. Dort zeigte Lukacs anlässlich des Erscheinens ihres Buches „Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien“ einem ORF-Team den Heiligen Gral, die wundersame Achatschale. Sie soll die Schale des letzten Abendmahles sein und laut Überlieferungen eine Inschrift tragen, die sich nur alle hundert Jahre einem Sonntagskind mit reinem Herzen zeigt. Während der Aufzeichnung gelang es einer Mitarbeiterin der Schatzkammer, die Inschrift, die den Namen Christi bedeuten soll, zu lesen. Nach kurzer Zeit waren die Buchstaben für alle Anwesenden leicht zu sehen, und die Geschichte schaffte es an diesem Tag in die Abendnachrichten. „Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte“, sagt Lukacs. Man merkt ihr an, wie sehr sie sich noch heute über diesen Glücksfall freut.

„Vorher hatte diese Inschrift kein derzeit Lebender gesehen, zumindest kein Mitarbeiter des Museums, das hat auch der Direktor der Schatzkammer bestätigt.“ Ein anderer ihrer Lieblingsgegenstände im Museum der Kaiser ist der Speer des Schicksals, auch die Heilige Lanze genannt. Vor ihr ist heute nur noch die Spitze ausgestellt. „Dieser Speer gehörte Karl dem Großen. Es heißt, jeder der diesen Speer in den Händen hält, hält auch die Macht der Welt in Händen.“

Wien stecke, so sagt die Autorin, voller Schätze, Rätsel und Mystik. Sie sei auch überzeugt, dass an den Geistergeschichten in der Hofburg was dran sei. „In jedem Schloss spukt es. Da wurde so viel gelebt, geliebt, gestorben, da sind so viele Energien.“ Über Wiens Gruselhäuser hat sie ebenfalls ein Buch geschrieben, genauso wie über den Templer-Orden oder das unterirdische Wien. Am grausigsten ist für sie die Kapuzinergruft am Neuen Markt. „Dort passierten die schrecklichsten Dinge, die ich in meiner Karriere je gehört habe. Die warfen Leute wegen Nichtigkeiten lebenslang in den Kerker“, sagt die eigentlich abgebrühte Geschichts-Expertin.

„Logen, Geheimbünde, Ritterorden. Hier hat sich immer alles konzentriert. Wien hat etwas, das andere Städte nicht haben“, sagt Lukacs über ihre Heimatstadt. Wien, ja, das wäre ein guter Schauplatz für einen spannenden und geschichtsträchtigen Roman wie Sakrileg. Sie schmunzelt. „Aber Dan Brown hat mich leider noch nicht angerufen.“ 

dieZeitschrift / Alexandra Gruber (06.01.2015)

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